District 6 in Kapstadt (Apartheid) und die liebliche Umgebung. Samstag

Eine der originalen Bänke nur für Weiße steht jetzt im Museum District Six

Ein entspannter Morgen in meiner traumhaft schönen Wohnung eröffnet den Tag mit Frühstück auf der Veranda, während sich allmählich der Morgennebel hebt und die Sonne herauskommt. Dann holt Gilbert Filter mich ab zu einem ganzen Tag voller Einblicke. Zuerst fahren wir zum „District Six“.

Ständig in Bewegung – der lebhafte Führer lässt kein scharfes Foto zu!

In der ehemaligen methodistischen Kirche ist jetzt ein Museum über den Stadtteil, der ein Zeugnis des Apartheid-Wahnsinns geworden ist. Abu Browne ist unser Führer. Irgendwann vor vielen Generationen hat ein Schotte eine Malayin geheiratet, und so hat der indisch wirkende Mann mit dem muslimischen Kufi seinen europäischen Namen bekommen. Er gehört zu den „Farbigen“, die einst zusammen mit Schwarzen, Weißen, Chinesen, Malayen, Indern in dem Stadtviertel an der Hannoverschen Straße lebten. Bis das Apartheidsregime eines Tages im Jahr 1966 beschloss, dieses Gebiet zu einem weißen zu erklären. Alle Bewohner wurden nach und nach mit mehr oder weniger Nötigung ausgesiedelt in die Cape Flats etwa 25 km von Kapstadt entfernt. Dort wurden Townships angelegt mit langen Reihen kleiner einheitlicher Häuser. Damals lebten etwa 30.000 Menschen in dem Gebiet, mindestens 20.000 wurden zwangsumgesiedelt. Eine Führerin erzählte von ihrer Mutter, die es bis 1981 in ihrer alten Wohnung ausgehalten hat, obwohl ihr schließlich Strom und sogar das Wasser abgestellt wurden. Sehr viele der Bewohner arbeiteten im Hafen oder in der Innenstadt. Sie mussten nun – auf eigene Kosten – sehen, wie sie zur Arbeit und zurück kamen. Alle Häuser wurden nach und nach abgerissen. Die religiösen Gebäude blieben – das hatte eine Petition erkämpft – erhalten, und standen nun einsam auf weiter Flur.  eine neue technische Hochschule entstand. Das geplante weiße Wohngebiet wurde nie gebaut, bis heute liegt sehr viel des Landes einfach brach. 1994 hat Nelson Mandela den ehemaligen Bewohnern die völlige Rückgabe ihrer Grundstücke versprochen. Bis heute haben nur wenige Bewohner zurückkehren können.

Dieses Museum ist eigentlich ein Ort lebendiger Lokalgeschichte, der auf seine Weise etwas zur Heilung der Erinnerung beitragen will. Wir fahren anschließend durch das Gebiet, das eine sehr merkwürdige Mischung zwischen schönen neuen Wohnhäusern und kahlem, vermüllten Gelände darstellt. Man sieht: es ist noch offen, was aus diesem Stadtteil werden soll.

Erst eine Reihe Häuser für die Rückkehrer ist gebaut – und sie sind sehr klein.

Das Stadtviertel BoKaap ist außerhalb der alten Stadtgrenze gelegen, am steilen Abhang Richtung Signal Hill. Dort bauten durften Malayen, die als Sklaven nach Südafrika gekommen waren, sich ein Haus bauen, wenn sie die Freiheit erhalten hatten. Um dies zu feiern, wurden die Häuser sehr bunt angestrichen. Zehn Moscheen stehen zwischen den kleinen Wohnhäusern. Heute wird diskutiert, den Stadtteil unter Denkmalsschutz zu stellen, damit er nicht bald den Immobilienhaien zum Opfer fällt. lo

Kinder tanzen in den öffentlichen Gärten mit großer Begeisterung
St Georges Kirche

Die Innenstadt ist wunderschön, überall Stände mit afrikanischer Kleidung, mit Schmuck und Schnitzereien. Überwiegend sind es Immigranten, die dort verkaufen, aus Ghana und dem Kongo, aus Simbabwe und Mozambique…. Die Atmosphäre ist entspannt, überall Restaurants und Cafés. In der ST. George`s Kirche, dem Predigtort von Bischof Desmond Tutu, findet gerade ein Gottesdienst statt, der eher eine politische Rede oder Diskussion ist. Das trennen wir hier nicht so, sagt mir mein Gastgeber, das gehört zusammen. Wenn wir vernünftig über unser Zusammenleben und über Frieden nachdenken – ist das kein Gottesdienst?

Ein kleines Mittagessen bei Gilbert und seiner Frau zuhause beschert mir wieder den traumhaften Blick über die Stadt.

Und dann machen wir uns wieder auf, diesmal auf’s Land. Östlich von Kapstadt liegen an den Hängen der Berge Weingüter in mediterranem Flair. Sie sind beliebte Ausflugsziele. Wir probieren Schokoladen, schauen die Glasbläserei an, gehen an den Weinproben vorbei, kaufen Bier in der kleinen Brauerei. Viele Familien entspannen hier, es ist Samstag Nachmittag und sehr mildes Wetter.

Blick von der Passhöhe auf Franschoek und in die Ferne

Dann fahren wir hoch zum Pass oberhalb von Franschoek, genießen die wunderbare Aussicht ins Tag, umgeben von Bergen. Hier gibt es oft Paviane, sagt man – ich sehe leider keinen. Auch die Schlangen sind vor mir versteckt worden.

Franshoek weiter unten ist eine Hugenottensiedlung (Franschoek =„Französische Ecke“). Ein paar wenige französische Namen erinnern noch daran, jetzt ist der Ort voller Geschäfte und Künstler, beliebt für Touristen aus nah und fern.

Und weiter geht’s: wir fahren noch bis Stellenbosch. Die Universität vom Ende de 19.Jhds prägt den ansonsten kleinen Ort sehr, alles fühlt sich studentisch-offen an. Hier kann man – wie auch im Kapstadt – ohne große Sorgen auf den Straßen unterwegs sein. Ohne Sorgen? Ja, sagen meine Gastgeber, Angst haben sie nicht. Sie sind einfach nur wachsam. Was sie damit meinen? Wie das genau aussieht? Kein Handy sichtbar tragen, die Handtasche eher vorne oder unterm Arm, die Hände nicht in die Hosentaschen (sieht aus, als ob etwas Wertvolles drin ist). Wenn jemand hinter mir hergeht, einfach mal in einen Laden gehen. Ich merke: ich bräuchte richtig Training!

Theologische Fakultät in Stellenbosch

Und immer wieder, natürlich, meine vielen Fragen. Gespräche. Wie wird es mit dem Land weitergehen? Nach den Wahlen am 8. Mai, so hoffen alle, wird es ruhiger. Wird der Präsident Cyril Ramaphosa auch in seiner eigenen Partei mehr Vertrauen hinter sich haben? Dann könnte überhaupt im Land wieder mehr Vertrauen wachsen, der ANC sich nicht in Flügelkämpfen verlieren.

Wohin geht es mit der Kirche? Vielleicht weg von den Konfessionen. Deutlicher Kirche im Ort sein, weniger befasst mit unserer besonderen Tradition? Ökumenischer? Gemeinsamer, trotz aller Unterschiede?

Ein gemütliches Mahl in einem der vielen Bistros beschließt einen Tag mit vielen Einblicken, mit Bildern und Gedanken.

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