Gespräche auf allen Ebenen – Mittwoch und Donnerstag

Einer neuer Bibelkreis ist entstanden – Martha hat zu Kaffee und Tee eingeladen. Vier ältere Damen (vermutlich nicht viel älter als ich:) kommen um zehn, bis dahin hatte die Pastorin Kuchen eingekauft, Tassen auf ihrem Esstisch hübsch angeordnet und wie üblich Krümelkaffee und Teebeutel vorbereitet. Wir stellen uns vor – alle vier kommen ursprünglich aus dieser Gegend, haben teilweise deutsche Eltern oder Großeltern, sind mit einer wilden Mischung von Sprachen aufgewachsen. Und so geht es auch hin und her zwischen Afrikaans und Englisch (Deutsch ist eher Geschichte). Ein Bibelabschnitt wird gelesen, es gibt einfache Fragen dazu. Die meiste Zeit von den zwei Stunden verbringen wir mit persönlichen Geschichten, die aber auch damit zu tun haben, über das Gute, das uns begegnet, nachzudenken (Phil. 4,8). Eine gute halbe Stunde ist dem „Bibel teilen“ gewidmet. Ich fühle mich sehr angeregt, solch eine Stunde der Bibelarbeit am Vormittag anzubieten, vielleicht als Vorbereitung auf den Sonntag.

Mittagspause. Am Nachmittag kommt Anja, die Pastorin aus Port Elizabeth. Martha und Anja sind gut befreundet, im Moment sind sie zusammen mit H-P aus East London die komplette Pastorenschaft des Kirchenkreises. Anja war Marthas Mentorin während ihres Vikariats (Ausbildung) und wohnt gut 3 Stunden, 302km, entfernt. Das ist ein Wiedersehen!

Am nächsten Morgen trifft sich zunächst wieder die „Fraternal“, die Pastorenschaft des Städtchens. Einige kenne ich ja schon, diesmal kommen noch Siya (Victory Bible Church) und Dion (NRK – Niederländisch-reformierte Kirche) dazu. Geschäftliches ist diesmal dran: wer macht wann die Andacht im Altenheim und die bei der Polizei. Ich horche auf: Andacht bei der Polizei? Der Colonel hat darum gebeten, dass einmal pro Woche eine Pastorin oder ein Pastor zu ihnen kommen. Sie sind sehr erschöpft, die Polizisten, am Ende ihrer Kräfte und ihrer Geduld. Als der Colonel sich einmal mit dem Pastor aussprechen will und sie in sein Büro gehen, liegt dort die Bibel auf dem Schreibtisch. Er hat dort Orientierung und Halt gesucht.  Siya ist von Beruf Wasseringeneur – Pastor ist er ehrenamtlich. Er erzählt von den Sorgen der Menschen in Mlungisi. Seit zwei Wochen haben sie kein Wasser aus der Leitung und müssen es sich von unten aus der Stadt in Plastikkanistern holen. Warum? Mlungisi liegt auf dem Hügel, für die Wasserversorgung muss eine Pumpe arbeiten (unten in Stutterheim reicht die Schwerkraft). Die Pumpe wird aber immer wieder demoliert, Teile werden gestohlen. Ob das Menschen aus Mlungisi sind, die damit ihrer eigenen Gemeinschaft schaden? Oder „Landstreicher“, die auf dem Müllplatz hausen? Die Pumpe wird jetzt schon von Sicherheitskräften bewacht. Und trotzdem….

Wie großartig, dass es solch ein wöchentliches Treffen gibt, trotz aller Unterschiede. Es gibt ein Frühstück für alle und eine kleine Andacht in der Kirche. Der Baptist würde die Pastorin nicht in seine Kirche zum Predigen einladen, wie das in den pfingstlicheren Kirchen aussieht, ist nicht ganz klar. Aber so ganz praktisch in der gemeinsamen Sorge um die Stadt arbeiten sie gut zusammen, scherzen mit einander und übereinander, sind „eins in Christus“.

v.l.: Bischof Gilbert Filter,Pastorin Martha Weich, Pastorin Anja Spiske 2. Pastor Hans-Peter von Fintel, rechts und hinten Mitglieder der Stutterheimer Fraternal

Inzwischen sind die Pastoren des lutherischen Kirchenkreises Kapkirche dazugestoßen, die Stutterheimer verabschieden sich. Eine Pfarrkonferenz, wie wir sie im Kirchenkreis auch kennen – nur ein bisschen kleiner und ein bisschen größer zugleich. Der Bischof ist mit dem Flugzeug von Kapstadt gekommen, die beiden anderen Pastoren mit dem Auto eben die gut 300 km und die nur 90 km von East London. Und nun wird erzählt, wie es in den Gemeinden geht. Wo gibt es gute, ermutigende Erfahrungen? Wo drückt der Schuh? Vieles erkenne ich, trotz der ganz anderen Situation. Sieht man die Familien nach der Taufe ihres Kindes wieder? Wieviele tragen wirklich zum Leben der Kirche bei, persönlich und finanziell? Wohin ist die Kirche unterwegs, gerade so eine kleine, mit ihrer deutschen Siedlergeschichte? Kann sie auf die Umgebung zugehen, kann sie dem Ort und den Menschen dort dienen? Wie kann man die Jugendlichen, die doch zu uns gehören, erreichen und interessieren? Kinoabende? Ein offenes Café?

Ich lerne, dass die lutherische Kirche in Port Elizabeth bunt gemischt ist, sprachlich (Afrikaans, Deutsch, Englisch) und in der Hautfarbe. Mein Eindruck von einer ganz weißen Kirche hier in Stutterheim und Macleantown ist sehr von der ländlichen Situation bestimmt, in der viele „schon immer“ hier sind. Man kennt die eigenen Freunde, die Nachbarn, die Kirche – da wird nicht viel aufgemischt. Das erinnert mich an die beliebte Diskussion in Loccum, ob jemand Loccumer ist (=mindestens dort geboren). Und an die Trennungen, die auch in unserer Gesellschaft da sind, je nach Wohngebiet, Einkommen, Bildungsstand.

Gerade haben wir die Sitzung beendet – es ist inzwischen 15 Uhr – da meldet sich der Vorsitzende des Kirchenkreisvorstandes unseres Partnerkirchenkreises, Ntobeko Elvis Gxala, zu einem freundlichen Begrüßungsbesuch an. Er war Lehrer, ist jetzt im Ruhestand – ein liebevoller Mann, der mir sehr entgegenkommt und mich schließlich einlädt am Sonntag hier in Mlungisi zu predigen. Das ist sehr berührend. Martha ändert schnell die Pläne für Sonntag und so sind wir jetzt verabredet!

Und dann kommt Suzanne vorbei und nimmt mich zum Spaziergang mit. Es ist wunderbare Luft – fühlt sich an wie Frühling, nicht heiß, aber ein angenehmer Wind, überall gehen Blüten auf. Wir gehen durch die ruhige Villensiedlung, nicht alle Straßen sind geteert. Vorbei an der schönen Schule, in die Kinder aller Farben gehen – wenn es sich die Eltern leisten können.

Endlich sehe ich einen der riesigen Ameisenhaufen aus der Nähe (aber die Ameisen sehe ich nicht), auch Guinea Fowl leben hier wild. Kühe grasen am frischen grünen Straßenrand. Das ist nicht zulässig, seine Kühe frei herumlaufen zu lassen. Der Tierschutz könnte sie eintreiben und erst gegen eine beträchtliche Gebühr wieder hergeben – nur dass der Tierschutz gerade überhaupt nicht funktioniert. Vielleicht greifen sie auch nur ein, wenn es Probleme gibt.

Es tut mir gut, hier draußen zu sein. Ich sehe die Schönheit, genieße die frische Luft und die Bewegung. Vielleicht empfinde ich manches auch als bedrückender, weil ich so viel Draußensein gewöhnt bin?


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